sehepunkte 24 (2024), Nr. 9

Carina Zeiler: mit recht, gerechtikait, unser maynung

Zeugnisse der Memoria wie Testamente und Grablegen gehören in der Forschung zum Hochadel im römisch-deutschen Reich des späten Mittelalters zu den bevorzugten Arbeitsgegenständen. [1] In diesem Kontext ist allerdings die Rolle adliger Frauen in der Regel nur am Rande behandelt worden. Entsprechend legt Carina Zeiler mit ihrer aus einer Tübinger Dissertation hervorgegangenen Studie zu den Testamenten der Gräfinnen und Herzoginnen von Württemberg vom 15. bis zum beginnenden 16. Jahrhundert eine wichtige thematische Ergänzung und Erweiterung vor. Im Mittelpunkt stehen "die Gerechtigkeits- und Ordnungsbegründung für die Zeit nach dem Tod an und zwischen den Höfen, die Visualisierung persönlich motivierter, geschlechtsspezifischer sowie gesellschaftlicher Hierarchien und die Konstituierung zeitgenössischer höfischer Vorstellungen aus 'weiblicher Perspektive'" (39).

Nach der Einleitung (13-49), in der breit der Forschungsstand zu Testamentsforschung sowie adligen Familien- und Geschlechterordnungen referiert wird, werden "Letztwillige Verfügungen, Erbpraxis und Stiftungen im Geschlechterdiskurs" (51-84) sowie Materialität und Rechtscharakter der württembergischen Frauentestamente thematisiert (85-116). Das 'Herzstück' der Arbeit bildet das vierte Kapitel zu den Testamenten Elisabeths von Nürnberg (gest. 1429), Henriettes von Mömpelgard (gest. 1444), Mechthilds von der Pfalz (1419-1482), Margarethes von Savoyen (1420-1479) und Elisabeths von Brandenburg-Ansbach (1451-1524) (117-377). Abgerundet wird die Studie durch einen Blick auf die Residenzen und das persönliche Umfeld der Testatorinnen (379-406), einen für weitere Forschungen hilfreichen Quellenanhang mit der Edition mehrerer Testamente (415-431) sowie eine Übersicht zu diesen und mit ihnen zusammenhängenden Quellen (432-438) und das Itinerar Mechthilds von der Pfalz (437f.)

Dabei zeichnet sich Carina Zeilers Untersuchung durch eine umfassende Sichtung der vielfach ungedruckten Überlieferung sowie der umfangreichen Literatur zur Thematik aus. Neben wertvollen übergreifenden Ergebnissen zu den Württembergerinnen im Besonderen und dem Hochadel im Allgemeinen kommt die Verfasserin auch immer wieder zu wichtigen Ergebnissen im Detail, die das Bild der fünf Gräfinnen bzw. Herzoginnen, die bisher in unterschiedlichem Maße das Interesse der Forschung fanden, weiter akzentuieren. Eingangs werden die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Testierverhalten im Hause Württemberg deutlich gemacht. Überschneidungen gab es mit Blick auf repräsentative, materielle und teils auch finanzielle Regelungen, während die regierenden Grafen und Herzöge bedingt durch die adlige Familienordnung meist auch einen besonderen Fokus auf Fragen von Nachfolge in der Herrschaft und Versorgung von Söhnen und Töchtern legten.

Für Aspekte der Materialität und Aufbewahrungspraxis ergiebig sind die Ergebnisse des dritten Kapitels. Das nachfolgende umfangreichste Kapitel der Untersuchung, in dem der Entstehungskontext der Testamente ausführlich behandelt wird, überzeugt ebenfalls durch intensive Quellenarbeit. Dabei kann die Verfasserin unter anderem die Rolle von Schulden für die Testatorinnen, die Beziehungen zum gesamten Hofpersonal von Hofmeisterinnen bis Narren oder im Fall Elisabeths von Brandenburg-Ansbach die Nähe zu den an ihrem Hof erzogenen "Ziehkindern" aus anderen Familien des Hochadels nachvollziehbar herausarbeiten.

Die wichtigen Ergebnisse von Zeilers Studie werden allerdings immer wieder durch zwei generelle Monita getrübt. Zum einen finden sich vielfach Fehler im Bereich von Ausdruck, Sprachrichtigkeit, Rechtschreibung und Interpunktion, die durch ein aufmerksameres Lektorat hätten minimiert werden können. Zum anderen hat die Verfasserin einen Hang zum vielfach unnötigen Referieren von ereignisgeschichtlichen Details sowie zu Exkursen, die dem Lesefluss wiederholt abträglich sind und auch in den Anmerkungen unnötig viel Platz finden. Wiederholt wird zudem unter Rückgriff auf die archivalische Überlieferung bereits Bekanntes zu ausführlich referiert. So wurde etwa die Rolle Elisabeths von Brandenburg-Ansbach in den familiären Beziehungen zwischen den fränkischen Hohenzollern, Württemberg und anderen adligen Häusern, der sich die Verfasserin umfangreich widmet, bereits umfassend von Cordula Nolte behandelt. [2] Auch Begrifflichkeiten und Argumente überzeugen nicht immer. So erschließt sich nicht, inwiefern "Elisabeth [von Brandenburg-Ansbach, B. M.] über ihren Tod hinaus eine fürsorgende und 'rechtschaffene' Gräfin war" (126). Auch bleibt unklar, was konkret Zeiler im Fall Mechthilds von der Pfalz für das 15. Jahrhundert unter "Studiengebühren" (254) sowie "Staats- und Privatgut" (254) versteht.

In der Summe bietet die Studie jedoch vielfach Neues und Überzeugendes. Sichtbar wird der weite räumliche, personelle, materielle und performative Wirkungsradius der Gräfinnen und Herzoginnen sowohl beim Akt des Testierens selbst als auch bei vorbereitenden Handlungen. Streiten ließe sich darüber, inwiefern die von Zeiler in den zentralen Quellen ihrer Untersuchung identifizierten Rechts- und Gerechtigkeitsdiskurse tatsächlich wirklich viel über die Vorstellungen der hochadligen Frauen aussagen oder in ihrer Wortwahl eher der Textgattung geschuldet sind. Unter anderem an dieser Stelle könnten weitere auf einzelne spätmittelalterliche Familien zugeschnittene oder vergleichend konzipierte Studien ansetzen. Carina Zeilers Arbeit regt diesbezüglich zum Weiterdenken und -arbeiten an.


Anmerkungen:

[1] Exemplarisch: Carola Fey: Die Begräbnisse der Grafen von Sponheim. Untersuchungen zur Sepulkralkultur des mittelalterlichen Adels, Mainz 2003 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte; 107); Cornell Babendererde: Sterben, Tod, Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen Reichsfürsten des Spätmittelalters, Ostfildern 2006 (Residenzenforschung; 19); Thorsten Huthwelker: Tod und Grablege der Pfalzgrafen bei Rhein im Spätmittelalter (1327-1508), Heidelberg 2009 (Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde; 14).

[2] Cordula Nolte: Familie, Hof und Herrschaft. Das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440-1530), Ostfildern 2005 (Mittelalter-Forschungen; 11).

Rezension über:

Carina Zeiler: mit recht, gerechtikait, unser maynung. Die Testamente der Gräfinnen und Herzoginnen des Hauses Württemberg im Spätmittelalter (= Reihe Geschichtswissenschaften; 1), St. Ottilien: EOS Verlag 2023, 541 S., ISBN 978-3-8306-8205-9, EUR 49,95

Rezension von:
Benjamin Müsegades
Heidelberg
Empfohlene Zitierweise:
Benjamin Müsegades: Rezension von: Carina Zeiler: mit recht, gerechtikait, unser maynung. Die Testamente der Gräfinnen und Herzoginnen des Hauses Württemberg im Spätmittelalter, St. Ottilien: EOS Verlag 2023, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 9 [15.09.2024], URL: https://www.sehepunkte.de/2024/09/39094.html


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