sehepunkte 25 (2025), Nr. 9

Marian Rębkowski: De Entstehung Pommerns

Im Jahr 2024 wurde an vielen Orten in Pommern und anderswo des Beginns der Missionsreisen des Bischofs Otto von Bamberg nach Kolberg und vor allem ins Odermündungsgebiet vor 900 Jahren erinnert. Marian Rębkowski, langjährig insbesondere in Kolberg tätiger Archäologe und seit 2019 Direktor des Instituts für Archäologie und Ethnologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften, hat das Vorfeld dieses Jubiläums zum Anlass genommen, ein Buch über die "Entstehung Pommerns" zu verfassen. Er verfolgt damit das Ziel, auf der Basis überwiegend archäologischer Quellen "den Entstehungsprozess des pommerschen Staates im Hochmittelalter nicht nur aus historischer, sondern auch aus kulturanthropologischer Sicht" (Vorwort, 9) zu beschreiben.

Rębkowski geht einleitend davon aus, dass Pommern ein Staat gewesen sei, allerdings ohne "Geburtsurkunde". (11) Deshalb stellt er zunächst verschiedene Konzepte der bisherigen Forschung vor, um das Phänomen "früher Staatlichkeit" zu erklären. Anschließend wendet er die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf die frühe Geschichte Pommerns an. In dem Kapitel "Vom Stamm zum Staat" rekapituliert er die Entwicklung herrschaftlicher Strukturen an der südlichen Ostseeküste zwischen Leba und Peene unter Berufung auf Klassiker der archäologischen und historischen Wissenschaften wie Timothy K. Earle, Walter Pohl, Karol Modzelewski und Christian Lübke. Anschließend stellt der Autor die Siedlungsstrukturen des 9. und 10. Jahrhunderts aufgrund der archäologischen Hinterlassenschaften dar. Verschiedene, aufgrund ihrer materiellen Überreste unterscheidbare Gruppen könnten Stammesgruppen repräsentieren, eine pomoranische Einheit gab es in dieser Zeit aber wohl nicht.

Im 10. und 11. Jahrhundert veränderte sich die herrschaftliche Struktur in der Region signifikant durch eine erhebliche Reduzierung der Burgen. Lediglich am Stettiner Haff blieben ältere Befestigungsanlagen bestehen. Bestattungen mit Waffenbeigaben und eine beginnende Münzprägung mit den "Lupower Denaren" (66) zeigen ebenfalls eine Herausbildung lokaler Machtstrukturen, aber auch den Einfluss der piastischen polnischen Fürsten sowohl im 10. als auch im 11./12. Jahrhundert. Die vorübergehende Einrichtung des Bistums Kolberg und die Nennung eines dux Zemuzil in den Niederaltaicher Annalen zu 1046 scheinen dies zu bestätigen.

Aber, so fragt eine Kapitelüberschrift, "wann entstand das pommersche Herzogtum?". Archäologisch könnten aufkommende Körperbestattungen und eine einsetzende Münzprägung die Übernahme westlicher kultureller Merkmale anzeigen. Von zentraler Bedeutung blieben Burg, Saline und das kurzzeitige Bistum Kolberg der Zeit um 1000 auch im 11./12. Jahrhundert als Fürstensitz und Ziel von Angriffen des polnischen Fürsten Bolesław III. Schiefmund, die vom Chronisten Gallus Anonymus überliefert wurden. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts erfolgte eine Schwerpunktverlagerung nach Westen in das Odermündungsgebiet, auf das weitere Kriege Bolesławs III. und die Missionsreisen Ottos von Bamberg zielten.

In Cammin residierte der Fürst Wartislaw I., dessen "Staat" das letzte Kapitel des Buches gewidmet ist. Obwohl seine Herkunft unklar ist, sieht Rębkowski ihn in der Tradition der Kolberger Fürsten (94). Wartislaw unterstützte die Christianisierung der Pommern durch Otto von Bamberg, dessen erste Reise aber unter dem Schutz des polnischen Fürsten Bolesław stand, während die zweite von König Lothar III. initiiert wurde. Der Glaubenswechsel gehörte nach Rębkowski zu einer Strategie der Angleichung an westliche Vorbilder, die er auch bei der Organisation der fürstlichen Residenzen und der gesamten Herrschaftsrepräsentation sieht, von der administrativen Gestaltung über die Münzprägung bis zur Darstellung der Fürsten auf den wenigen erhaltenen Siegeln.

Das zusammenfassende Abschlusskapitel ("Wie Pommern entstand") zeigt erneut den sehr polnischen Blick auf die hochmittelalterliche Entwicklung an der südlichen Ostseeküste. Rębkowski bedauert die fehlende Durchsetzungsfähigkeit der ostseeslawischen Herrschaftsbildungen, die "schließlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sowie zu Beginn des 13. Jahrhunderts Teil des Deutschen Reiches wurden" (133), obwohl "der Herrschaftsform der pommerschen Herzöge bereits vor der Mitte des 12. Jahrhunderts sämtliche Merkmale eines frühen Staates eigen waren, die auch die einige Jahrhunderte zuvor in der Nachfolge des Römischen Imperiums entstandenen germanischen Königreiche aufwiesen". (140) Die Grundlagen dieses "Staates" allerdings bleiben seltsam unterbelichtet, findet sich doch der Hinweis auf den profitablen Menschenhandel im Ostseeraum (138) und die Ausdehnung Pommerns zu Ungunsten der benachbarten Lutizen (140) erst hier. "Diese Expansion führte jedoch zu einem ständigen Konflikt mit dem Deutschen Reich, der auf die Dauer nicht zu gewinnen war". (141)

Das Buch, das nicht nur bei dieser unzeitgemäßen Bezeichnung des mitteleuropäischen König- und Kaiserreiches terminologische Schwächen aufweist, wird von einer deutsch-polnischen Konkordanz der Orts-, Landschafts- und Gewässernamen, einem Quellen- und Literaturverzeichnis, einem Personenregister und einem Register der geografischen Namen abgeschlossen.

Rezension über:

Marian Rębkowski: De Entstehung Pommerns. Eine archäologisch-historische Studie zur Herausbildung eines frühen Staates im Mittelalter. Aus dem Polnischen übersetzt von Andreas Kieseler (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern. Reihe V: Forschungen zur Pommerschen Geschichte; Bd. 61), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2023, 189 S., ISBN 978-3-412-52793-8, EUR 45,00

Rezension von:
Matthias Hardt
Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO)
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Hardt: Rezension von: Marian Rębkowski: De Entstehung Pommerns. Eine archäologisch-historische Studie zur Herausbildung eines frühen Staates im Mittelalter. Aus dem Polnischen übersetzt von Andreas Kieseler, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2023, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 9 [15.09.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/09/40619.html


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