Ann Hughes: Gangraena and the Struggle for the English Revolution, Oxford: Oxford University Press 2004, XII + 482 S., ISBN 978-0-19-925192-6, GBP 60,00
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Dieses Buch füllt eine Forschungslücke, deren Existenz in den vergangenen Jahrzehnten erbitterte Kontroversen innerhalb der britischen Frühneuzeitforschung ermöglicht hatte. Thomas Edwards' dreibändiges Werk Gangraena aus den Jahren 1645-1647, in welchem der aufrechte Presbyterianer sich sowohl gegen die aufkommenden Bürgerkriegssekten wie gegen die independentisch eingestellten Mitcalvinisten zu Wehr setzte, erfuhr in der jüngeren Geschichtsschreibung unterschiedlichste Interpretationen. War das Werk für Historiker wie Christopher Hill der Zugang zu einer ansonsten verschütteten proletarischen Kultur, so bestritten auf der anderen Seite Historiker wie Colin Davis, dass aus den Texten des "Ketzerjägers" Edwards eine eindeutige Verbindung zur historischen Realität hergestellt werden könne. Hill interpretierte dabei die Rebellion der Bürgerkriegssekten gegen die etablierten Kirchen als Teil der Rebellion der Unterschichten gegen die herrschende politische Ordnung. Für Colin Davis hingegen machte Edwards' Beschreibung häretischer Sekten den argumentativen Part einer medialen Kampagne aus, deren Ziel es war, in der Öffentlichkeit Ängste zu schüren, und die darüber Einfluss auf die politische und religiöse Entwicklung Englands zu nehmen versuchte. Vielleicht hätte es einzelne Individuen gegeben, die solche ketzerischen Ansichten vertraten, die Existenz von Sekten und Bewegungen stellte Davis jedoch infrage. Ann Hughes Konzentration auf den Autor Edwards und das dermaßen inkriminierte Werk verdient dementsprechend schon deshalb vollste Unterstützung, weil damit die Versachlichung einer zum Teil sehr emotional geführten Debatte zu erhoffen ist.
In fünf großen Kapiteln nähert sich Hughes dem Phänomen Edwards: Die sehr ausführliche Einführung verbindet das Reflektieren über das Thema und die gewählten Methoden mit einer ersten Bestandsaufnahme der Person Edwards und seines Werkes. Hughes zieht zunächst einen Vergleich zwischen den vor Edwards erschienenen Werken der Häresiografie, in deren Tradition sich Edwards stellen wollte, und Gangraena. Die Auswahl der häresiografischen Texte reicht dabei von Augustinus bis zu Edwards' Zeitgenossen Ephraim Pagitt. Neben einer grundsätzlichen Übereinstimmung in der Zielrichtung der Texte - die Verdammung von potenziell häretischen Positionen zum Zwecke der Reinhaltung der wahren christlichen Lehre - konstatiert Hughes doch einen grundlegenden Unterschied. Dieser lag vor allem in der Struktur der Werke. Während die anderen Autoren stets eine klare Argumentationsstruktur verfolgten, gleichen Edwards' Bände eher einem Werk des Zufalls. Wie die anderen häresiografischen Autoren versuchte Edwards selbstredend den theologischen Fehler und die Häresie in den Texten seiner Gegner zu entlarven, er verfolgte dabei allerdings keine stringente Strategie, sondern ließ sich von dem Material, das seine Informanten ihm zuspielten, treiben und reihte so relativ unsystematisch Schilderungen von Ereignissen und Zitate aus Texten aneinander.
Die Gründe für diese Struktur der drei Bände untersucht Hughes ausführlich in den beiden folgenden Kapiteln. Dabei legt sie zunächst den Fokus auf das Verhältnis von London und den Provinzen in Gangraena. In ihrer Darstellung erscheint uns Edwards als ein sehr gewissenhafter Autor, der sich auf die Informationen seiner Mitstreiter beruft und daraus das Bild der Ketzereien seiner Zeit malt. Hughes kann überzeugend darlegen, dass Edwards' Informationsnetzwerk ein eindeutiges Zentrum in London hatte, die Fälle von Häresie aus London selbst sind dementsprechend überproportional in Gangraena vertreten. Edwards' Zugang zu Informationen aus den unterschiedlichen Regionen Englands ließ hingegen zu wünschen übrig. Aus anderen Quellen überlieferte Fälle von Ketzerei aus dem entsprechenden Zeitraum finden sich nicht in seinem Buch, andere weniger wichtige und in manchen Fällen auch nicht ganz korrekte Darstellungen werden dafür in prominenterer Weise präsentiert. In seinem Bemühen, eine Beschreibung des Gefahrenpotenzials durch die Ketzerei zu geben, musste Edwards sich auf externe Quellen verlassen, die er nicht unbedingt systematisch erschloss und darstellte. Dadurch erhält das Bild der 1640er-Jahre, das Edwards der Nachwelt hinterlassen hat, eine deutliche Schieflage.
Diese Schieflage wird auch durch Edwards' Umgang mit den Texten seiner Gegner erzeugt, dem sich Hughes anschließend widmet. Edwards nahm die Texte und die darin enthaltenen theologischen Argumentationen nur sehr selektiv wahr, vor allem dann, wenn sie mit konkreten religiösen oder politischen Aktionen einherzugehen schienen. Dies erklärt auch die scharfen Töne Edwards' gegen die ebenfalls calvinistisch eingestellten Independenten - obwohl hier in hohem Maße eine Übereinstimmung der religiösen Position vorlag, schätzte Edwards das Gefahrenpotenzial der Independenten als sehr hoch ein, da diese immer stärker die publizistische Debatte und zunehmend den politischen Diskurs im Parlament bestimmten.
Edwards verstand seine Texte als Kampftexte zur Mobilisierung einer religiös-politischen Bewegung, die die andauernde Revolution bekämpfen und eine presbyterianische Nationalkirche in England etablieren wollte.
Zur Schlichtung der anfangs skizzierten Debatte kann Hughes dann allerdings doch nur wenig beitragen. Sie ist überzeugt, dass, anders als Colin Davis vermutete, Edwards keine der geschilderten Fälle bewusst erfunden habe, seine zweifelsohne vorhandene agitatorische Tätigkeit also nicht zwangsläufig auf eine Verfälschung der Realität schließen lässt. Sie kann aber auch überzeugend darlegen, dass Edwards' Sicht und Beschreibung der religiösen Landschaft Englands durch verschiedene Faktoren stark geprägt waren, sein Text also sicherlich nicht als repräsentatives Bild der 1640er-Jahre gelten darf. Insofern haben sowohl Davis als auch Hill Recht und Unrecht zugleich, und dem Leser bleibt die Erkenntnis, dass historische Quellen der Komplexität der Realität nur teilweise entsprechen. Somit ist Hughes zuzustimmen, dass in Anknüpfung an ihre Arbeit weiter über die Produktion von zeitgenössischen Texten geforscht werden müsse, um sowohl das Wissen über die Geschichte der englischen Revolution zu vertiefen als auch um neue Methoden der Quelleninterpretation zu erarbeiten.
Sebastian Barteleit