Anthony R. Birley: Hadrian. Der rastlose Kaiser, Mainz: Philipp von Zabern 2006, 124 S., ISBN 978-3-8053-3656-7, EUR 24,90
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Zehn Jahre nach dem englischen Original ist in der Reihe "Zaberns Bildbände zur Archäologie / Sonderbände der Antiken Welt" eine deutsche Übersetzung der Monographie "Hadrian. The Restless Emperor" [1] von Anthony R. Birley erschienen. Laut Vorwort (3) wurden im Zuge der Übersetzung durch seine Frau einige Unklarheiten der englischen Originalausgabe vom Autor überarbeitet [2], und Teile der seit 1997 erschienenen Forschungsliteratur eingearbeitet. [3] Gleichzeitig wurde allerdings der originale Text in der deutschen Version stark gekürzt, was auch in der Zusammenfassung der ursprünglich 21 in 11 Kapitel deutlich wird (plus Einleitung und Epilog in beiden Ausgaben). Dass die Kürzungen des Textes auf ein Publikum hinzielen sollten, das im populärwissenschaftlichen Bereich zu suchen ist, wird schon in der Einleitung deutlich: Der ohnehin knappe Abschnitt zur Forschungsliteratur im Original entfällt fast komplett, während der Verweis auf Yourcenars bekannten Roman "Les Memoires d'Hadrien" stehenbleiben darf.
Ganz gelungen ist die Zielausrichtung allerdings nicht. Gleich der Beginn des ersten Kapitels (7) kann zu leichten Verwirrungen führen: Unglücklich ist die Einfügung des Abbildungsverweises bei "Für Senatoren war Rom der offizielle Wohnsitz (Abb. 1)", um dann in Abbildung 1 ein Porträt Hadrians präsentiert zu bekommen. Kurz darauf bekommen wir L. Cornelius Balbus, Caesars Vertrauten, als prominenten Bürger der Stadt Gades, dem Heimatort der Mutter Hadrians, vorgestellt. Birley erliegt hier wie so häufig (auch im englischen Original) der Verlockung, sein immenses prosopographisches Wissen zu präsentieren, was dem behandelten Thema nicht immer wirklich zuträglich ist, auch wenn es natürlich zeigt, dass wir eben sehr viel mehr aus der Antike wissen, als die literarischen Quellen allein hergeben. Fraglich ist, ob die ausführliche Formulierung "Der erste Aelius von Italica stammte aus Hadria in Picenum, das nicht weit von der Ostküste Italiens gelegen war" den Laien diesen für den weiteren Verlauf des Buches nicht übermäßig wichtigen Ort leicht finden lässt, zumal er nicht auf der sonst sehr informativen Karte Seite 114/115 eingetragen ist. [4] Da ist die ursprüngliche Formulierung "The first Aelius of Italica came from Hadria on the east coast of Italy [...]" klarer - zusammen mit der Eintragung in der Karte der englischen Ausgabe.
Auf Seite 10 lassen sich dann Probleme bei der Kürzung und Überarbeitung des Textes erkennen: In der linken Spalte oben heißt es, dass Hadrian "[...] dazu verpflichtet [wurde], die Besitztümer der Familie in der Baetica zu inspizieren", in der rechten Spalte Mitte dann nochmals "[...] hat Hadrian wohl die Besitzungen der Familie stromaufwärts von Italica inspiziert." Eine Durchsicht des Manuskripts hätte solche Unschönheiten, die häufiger begegnen [5], leicht vermieden.
Inhaltlich kann man dagegen bei der (im wahrsten Sinne des Wortes) Reise durch das Leben Hadrians von der Wiege bis zur Bahre nur Feinheiten oder - für das Zielpublikum wohl weniger interessante - unterschiedliche Forschungsmeinungen anmerken:
Unklar etwa ist, ob die Rolle Plotinas bei der Förderung der Karriere und der Thronbesteigung Hadrians tatsächlich so ausgeprägt war, wie Birley vermutet (16, 27f.), oder ob die Benennung der Personen, auf die sich das testamentum Dasumii bezieht (20), wirklich so eindeutig ist. Streiten ließe sich z.B. darüber, ob der Verweis auf Nero und Marcus Aurelius [6] bei der Bestimmung des Alters Hadrians bei dessen Annahme der toga virilis glücklich gewählt ist (9f.): Auf jeden Fall Nero, aber auch Marcus hatten eine ungleich weiter herausgehobene Stellung als Hadrian in diesem Alter. Auch über die Reiserouten des rastlosen Kaisers gibt es im Detail unterschiedliche Ansichten und an einigen Stellen erweckt die Formulierung den Eindruck, als habe Hadrian manchen Ort nur besucht, da es eine irgendwie geartete Verbindung zwischen dem Ort und einer Person aus dem (weiten) Umfeld des Kaisers gegeben habe - um dann wieder aus dem prosopographischen Füllhorn zu kredenzen. Solche persönlichen Ansichten Birleys beeinflussen aber die grundsätzliche Qualität des Inhaltes keineswegs.
Zwar besitzt die englische Ausgabe fast 40 Abbildungen, richtig passen will der Band deshalb trotzdem nicht in die Reihe "Zaberns Bildbände zur Archäologie". Der Text, der sich durch viele wörtliche Quellenzitate auszeichnet, wurde sicher nicht zuletzt auch auf Kosten der Abbildungen gekürzt, die an Zahl und Format aufgestockt wurden. Gewonnen haben die Abbildungen im Vergleich zur englischen Ausgabe auf jeden Fall an Qualität. Aber hinter Abbildungen wie "Limesverlauf im Taunus" (40, Abbildung 17: zu erkennen ist ein grasbewachsener Graben in einem dichten Wald mit Spaziergängern im Hintergrund), "Luftaufnahme von Sparta, das Hadrian auf seiner Reise durch Griechenland besuchte" (61, Abb. 27) und anderen mehr offenbart sich eine inhaltlich gewinnbringende Erweiterung des Buches nicht wirklich. Einen tatsächlichen Mehrwert hätte angesichts der vielen Personen und Orte, die im Text genannt werden, ein Register erzeugt.
Für Wissenschaftler und Studenten bleibt abgesehen von den vereinzelten neuen Literaturangaben die englische Originalausgabe das Referenzwerk, zumal das Original gut lesbar formuliert ist. Der interessierte Laie erwirbt hingegen in der deutschen Übersetzung ein fachlich solides - teilweise vielleicht sogar etwas zu anspruchsvolles - und optisch ansprechendes Werk über Hadrian und das römische Reich.
Anmerkungen:
[1] Nachdruck 2000 mit Ergänzungen in den Anmerkungen.
[2] Manchmal entstanden auch neue Unklarheiten: Z.B. verfälscht ein Komma bei "[...] die Prophezeiung Balaams, eines Messias im 4. Buch Mose [...]" (99) die ohnehin nicht glückliche Übersetzung des Originals "[...] Balaam's prophecy of the Messias in the Book of Numbers".
[3] Birley verweist auch auf die Habilitationsschrift von Stephan Heilen "Hadriani genitura. Die astrologischen Fragmente des Antigonos von Nikaia. Edition, Übersetzung und Kommentar" (116), die allerdings noch nicht erschienen ist. Es wäre besser verwiesen worden auf Heilens angekündigten und jetzt bereits erschienenen Artikel "Italica o Roma? Nota alla riaccesa disputa sul luogo di nascita dell'imperatore Adriano", in: Athenaeum 94 (2006), 679-680.
[4] Zudem wird an anderer Stelle (29) auf die Karte mit dem Hinweis "Abb. 55" verwiesen, sie ist aber als solche nicht gekennzeichnet. Eine Angabe, in welchem Trapez der Karte der jeweilige Ort zu finden ist, würde manche Sucherei verkürzen.
[5] Vgl. auch Zeilentrennungen wie "VI - Iviri" (21) und Uneinheitlichkeiten z.B. bei "jüdischer Aufstand" (26) und "Jüdischer Aufstand" (29) oder "conloquium" (51) und "colloquium" (78) sowie in der Kursivsetzung von Wörtern.
[6] Der Verweis erscheint in der englischen Ausgabe im Text, in der deutschen in einer Fußnote.
Stefan Priwitzer-Greiner