Josephine Gabler: August Gaul. Das Werkverzeichnis der Skulpturen, Berlin: Jaron Verlag GmbH 2007, 288 S., 445 Abb., ISBN 978-3-89773-569-9, EUR 34,90
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Bären, Elefanten, Löwen, Ziegen, Schafe, Vögel vielerlei Art aus Bronze, Stein, Keramik, von Fingerlänge bis zu überlebensgroßer Monumentalität, ob als Petschaft, Bauplastik oder Brunnenfigur - die Menagerie des August Gaul (1869-1921) ist vielgestaltig und umfangreich. Gauls Werk als Tierbildhauer ist ein Markstein in der Entwicklung der Plastik der Moderne, indem er die Tierdarstellung als ein autonomes Sujet auffasste, das sich narrativen Intentionen oder allegorischer Überhöhung versagen konnte: "Plastische Figuren hatten keine Geschichte mehr zu erzählen. Als selbständige [...] Gebilde unterlagen sie vorrangig bildhauerischen Werten der Form, des Raums und der Statik." (21) Um so erstaunlicher ist angesichts der Bedeutung, die Gaul zugesprochen werden kann, dass bislang kein Werkverzeichnis des Künstlers vorlag, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügte. Die Kunsthistorikerin Josephine Gabler, von 1998 bis 2004 Geschäftsführerin der Stiftung für Bildhauerei in Berlin, hat es unternommen, Gauls plastisches Werk zu ordnen und in seiner Gesamtheit vorzustellen.
Dem Werkverzeichnis ist ein Kapitel zu Leben und Œuvre des Künstlers vorangestellt, das kompakt, aber in ausreichender Ausführlichkeit Biografie und künstlerischen Werdegang Gauls darstellt, ohne hier wesentlich Neues zu liefern. Gaul gelangte recht schnell zu Erfolg, Wohlstand und später auch Ehren. Seine harmonisch gegliederten Tierplastiken wurden auf dem Kunstmarkt gut angenommen und entsprechend honoriert. Dies war vor allem dem Galeristen Paul Cassirer zu verdanken, der Gauls Plastiken exklusiv vertrieb und darauf achtete, dass die Zahl der Bronzegüsse gering blieb, um die Wertigkeit des einzelnen Objektes zu erhöhen.
Hervorzuheben ist im Textteil die Passage über die posthume (Aus-) Nutzung des Werkes, in der Gabler anschaulich die Ursachen der Hauptprobleme bei der Erstellung des Werkverzeichnisses aufzeigt: das Fehlen eines eigentlichen Künstlernachlasses, mangelhafte Überlieferung bezüglich der Gussvervielfältigungen und die teils unkontrollierte und unübersehbare Herstellung von posthumen Güssen bis zur Gegenwart. Hierin äußert sich das Forschungsdesiderat, das Œuvre des Künstlers auf seinen quasi 'Urzustand' zurückzuführen und Licht in den Dschungel aus Nachgüssen, Neuauflagen, unautorisierten Güssen und Surmoulagen zu bringen. Den genannten Schwierigkeiten geschuldet, war es der Autorin unmöglich, für jedes Werk die genaue Auflagenhöhe zu ermitteln. Auf der Grundlage der Forschungen von Roland Dorn [1] konnten wenigstens die bis 1922 entstandenen Stückzahlen der Güsse annäherungsweise angegeben werden, die Aussagen zu später ausgeführten Güssen mussten dagegen oftmals vage bleiben.
Der Werkkatalog ist chronologisch gegliedert und bezieht nicht nur erhaltene, nachweisbare Werke ein, sondern auch Plastiken, die lediglich fotografisch oder schriftlich belegbar sind. Darin folgt die Autorin, wie sie in der Vorbemerkung zum Katalog angibt, den Kriterien, welche die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bildhauermuseen für Werkverzeichnisse plastischer Bildwerke erarbeitet hat. [2] Ein kohärentes Schema liegt den Katalogeinträgen damit zu Grunde: Werkverzeichnisnummer, Titel, Datierung, Materialangabe, Maße, Angaben zur Auflage, Besitznachweise, eventuelle Ausstellungsnachweise, Literaturangaben werden in dieser Reihenfolge gegeben. Das konsequente Festhalten an diesem Schema und der Chronologie ist ein wohltuender Unterschied zu dem bisher einzigen Werkverzeichnis von Angelo Walther aus dem Jahr 1961, in dem die Plastiken thematisch geordnet worden sind. [3] Zudem nahm Walther keine Unterscheidung vor zwischen Güssen, die zu Lebzeiten Gauls entstanden und denen, die später gefertigt worden sind.
Den Katalog beschließt eine Zusammenstellung von vierzehn Bronzen und einer Porzellanplastik, die in falscher Zuschreibung wiederholt als Werke von Gaul im Kunsthandel auftauchten.
"August Gaul. Das Werkverzeichnis der Skulpturen" ist das, was der Titel verspricht - im besten Sinne. Josephine Gablers jahrelange Mühen, Gauls Œuvre zu ordnen, münden nicht nur in einen wertvollen Forschungsbeitrag, sondern in einen Werkkatalog, der zukünftig die Basis jeder weiteren Beschäftigung mit August Gaul und der Tierplastik der Moderne bildet.
Anmerkungen:
[1] Roland Dorn: Verzeichnis der bei Paul Cassirer nachweisbaren Arbeiten von August Gaul, in: Der Tierbildhauer August Gaul, hg. von Ursel Berger, Ausstellungskatalog Georg-Kolbe-Museum, Berlin 1999, 76-83.
[2] Siehe hierzu http://www.bildhauerei-in-berlin.de/_html/forschung.html#werksverzeichnis
[3] Angelo Walther: Der Bildhauer August Gaul. Leben und Werk. Phil. Diss. (Typoskript), Leipzig 1961.
Christian Lechelt