Bernd-Ulrich Hergemöller: Uplop - Seditio: Innerstädtische Unruhen des 14. und 15. Jahrhunderts im engeren Reichsgebiet. Schematisierte vergleichende Konfliktanalyse (= Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters; Bd. 28), Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2012, 296 S., ISBN 978-3-8300-6287-5, EUR 89,80
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Jan Dumolyn / Jelle Haermers / Hipólito R.O. Herrer et al. (eds.): The Voices of the People in Late Medieval Europe. Communication and Popular Politics, Turnhout: Brepols 2014
David Harry: Constructing a Civic Community in Late Medieval London. The Common Profit, Charity and Commemoration, Woodbridge: Boydell Press 2019
Im hier zu besprechenden Band fließen zwei Dinge zusammen. Auf der einen Seite steht die kompakte Wiederaufnahme einer Thematik, mit der sich Bernd-Ulrich Hergemöller bereits in seiner Habilitationsschrift um die Mitte der 1980er-Jahre befasst hatte. [1] Auf der anderen Seite findet man den Versuch, mit der Verbindung aus klassischer Publikation und digitalem Hilfs- und Arbeitsmittel Neuland zu betreten und einem Trend zu folgen. So spricht ein Teil der scientific community bereits von "Digital Humanities" und strebt eine Vernetzung sowie Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeit durch elektronisch-digitale Hilfsmittel wie Datenbanken oder Literaturverwaltungssoftware an. Und, sicher, die Arbeit wird dadurch teilweise einfacher. Doch ist das Internet nach wie vor durch unstete Adressen und konstanten Wandel geprägt.
Doch worum handelt es sich bei dem besprochenen Werk? Erstmals stellt Hergemöller in chronologischer Reihung über 150 Übersichtsartikel zu den wichtigsten innerstädtischen Unruhen der Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts zusammen. Sie reichen von Worms 1301-1303 bis St. Gallen 1491.
Der Clou an dieser "schematisierte[n] vergleichende[n] Konfliktanalyse" liegt in einer Idee, die auf Hergemöllers ehemaligen Mitarbeiter Nicolai Clarus zurückgeht (7). Eingebettet in die Artikel sind neben den zehn Gliederungspunkten (Ort, Bezeichnung, Jahr, Teilnehmer, Ursachen, Verlauf, Abschluss, Folgen, Quellen und Darstellungen; Erläuterung des Schemas 12-14) auch sogenannte Quick-Response-Codes (kurz QR-Codes). Mit einer entsprechenden Code-lesefähigen Applikation auf Smartphone (oder wegen des größeren Formats besser Tablet-Computer) eingelesen, soll man auf eine im Internet frei verfügbare Seite mit der einschlägigen Quellenstelle gelangen.
Die Idee ist sehr gut, würde sie doch einen Gang an das entsprechende Regal der Bibliothek ersparen. Doch muss hier leider im Konjunktiv formuliert werden. Man würde zu den Texten gelangen und der Rezensent ist zu Beginn, gleich nach Erhalt des Besprechungsexemplars, auch dorthin gelangt. Nur leider wurde in der Zwischenzeit wohl etwas an der Struktur der Seiten geändert. [2]
Aber, dies sei nochmals betont, diese technischen Einschränkungen schmälern in keiner Weise den praktischen Wert des fast schon Handbuch zu nennenden Werks. Anhand des bereits angesprochenen Schemas werden auf ein bis zwei Seiten alle relevanten Informationen zu den jeweiligen innerstädtischen Unruhen gebündelt. Zudem sind zahlreiche Abbildungen vorhanden. Neben einer entweder zeitgenössischen oder modernen fotografischen Stadtansicht werden auch Fotografien wichtiger einschlägiger Quellen (z.B. 192) oder noch heute erhaltener Bauwerke (z.B. 129) in die Artikel integriert. Zudem ergänzen und beleben Abbildungen zeitgenössischer Porträts bzw. Wappen einiger Akteure, die an den Unruhen teilhatten, die Artikel (z.B. 193 bzw. 143). Dabei sollte man allerdings nicht den Zweck der Artikel aus den Augen verlieren, denn es handelt sich keineswegs um einen Bildband.
Dass einige der behandelten innerstädtischen Unruhen dieses Bandes bis heute ihre durchaus fragwürdigen Spuren im kulturellen Gedächtnis der Städte hinterlassen haben, deutet sich beispielsweise in einem alljährlich durch den Fußballverein FC Brügge veranstalteten Turnier an, durch dessen Benennung als "Brugse Metten" ein Bezug auf die sogenannte "Brügger Frühmette" von 1302, einen nächtlichen Überfall auf französische Soldaten, hergestellt wird (vgl. hier die Abbildung eines Fan-Banners auf 23).
Die Zusammenstellung der wichtigsten Informationen und insbesondere die Punkte 9 zu den Quellen sowie 10 zu bereits erarbeiteten und publizierten Darstellungen der Auseinandersetzungen erleichtern einen schnellen Zugang zu den Ereignissen und bereits geleisteten Forschungsarbeiten ungemein. Stringent werden hier, nicht zuletzt um Platz zu sparen, Kurztitel verwendet, die man aufgelöst im hinteren Teil des Buches wiederfindet (219-266 in einem gemeinsamen Verzeichnis von Quellen und Darstellungen).
Inhaltlich sind folgende Dinge zu bemerken: Hergemöller lehnt den Begriff "Stadtkonflikt" ab und spricht lieber von "innerstädtischen Unruhen" (9). Dabei dehnt sich der behandelte Bereich in geografischer Hinsicht auf das Gebiet des mittelalterlichen Reichs nördlich der Alpen von etwa 1378 aus (10). Es ist nun möglich, mithilfe dieser Zusammenstellung eine "quantitative Gesamteinschätzung" über die wichtigsten inneren Unruhen abzugeben (213).
Die begriffliche Schärfung erspart dem Verfasser eine ausufernde Aufnahme sämtlicher greifbarer Konflikte, an denen auch nur irgendein städtischer Vertreter beteiligt war. Dies führt zum Ausschluss "alle[r] Fehden mit weltlichen und geistlichen Stadtherren" (9) und konzentriert sich auf die wichtigsten Fälle (wohlgemerkt nicht alle, 9), bei denen es zu "veritablen Unruhen" gekommen ist (9). Damit vermeidet Hergemöller eine allzu ausufernde Darstellung, wie sie von Volker Turnau allein für die Jahre 1300-1305 auf monumentalen 1128 Seiten vorgelegt worden ist. [3]
Es ist zu hoffen, dass dieses Buch Anregungen zu vergleichender Analyse geben kann und wird. Beispielsweise könnte sich die Forschung in europäischer Hinsicht mit den Reichweiten und Funktionsweisen der auch von Hergemöller angesprochenen Vermittlerfiguren bei der Beilegung der behandelten innerstädtischen Unruhen befassen (217-218).
Indizes zu Personen (267-282), Orten (282-288) und Sachen (288-293) erschließen den Band, dessen Relevanz nicht nur aus der kompakten Zusammenstellung und damit dem schnellen Zugang zu den Informationen resultiert, sondern vor allem auch darin, "die Basis künftiger Interpretationen bilden" zu können (213).
Anmerkungen:
[1] Bernd-Ulrich Hergemöller: "Pfaffenkriege" im spätmittelalterlichen Hanseraum. Quellen und Studien zu Braunschweig, Osnabrück, Lüneburg und Rostock (= Städteforschung C; Bd. 2), 2 Teil-Bände, Köln u.a. 1988.
[2] Statt der bei den QR-Codes hinterlegten Links wird momentan folgende URL genutzt:
http://webapp6.rrz.uni-hamburg.de/GLOGEMIS/index.php/sonderbereich-qinnerstaedtische-unruhenq (letzte Abfrage am 26. Januar 2014). Eine Verlinkung zu den frei im Internet zugänglichen Quellentexten besteht leider auch hier nicht mehr bzw. noch nicht. Zudem kann eine solche Programmierung sehr großen Aufwand erfordern.
[3] Volker Turnau: Unruhehäufungen und ihre Zusammenhänge in Städten des Reiches zu Beginn des 14. Jahrhunderts (1300-1305), Born / Luxemburg 2007. Der Wert dieser Arbeit soll aber in keiner Weise in Abrede gestellt werden.
Florian Dirks