Fabian Schulze: Die Reichskreise im Dreißigjährigen Krieg. Kriegsfinanzierung und Bündnispolitik im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (= bibliothek altes Reich (baR); Bd. 23), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2018, XII + 619 S., 12 Tbl., 2 Abb., ISBN 978-3-11-055619-3, EUR 89,95
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Uwe Tresp: Söldner aus Böhmen. Im Dienst deutscher Fürsten: Kriegsgeschäft und Heeresorganisation im 15. Jahrhundert, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004
Bereits 1982 hat Ferdinand Magen darauf hingewiesen, dass den Reichskreisen für die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges eine größere Bedeutung zukommt, als gemeinhin angenommen wurde und noch vielfach wird. Denn kaum jemand zog die Konsequenz aus Magens Aufsatz, und so fristen die Reichskreise, abgesehen von einzelnen Studien, die sich Teilaspekten widmen, nach wie vor eine unterbelichtete Nebenrolle auch in den neueren Darstellungen des Krieges. Fabian Schulze beschreitet mit seiner Augsburger Dissertation also in vielerlei Hinsicht Neuland, indem er unter Bezugnahme auf Magen das Forschungsfeld der Rolle und Funktion der Reichskreise im Dreißigjährigen Krieg zwar nicht eröffnet, aber erstmals in großer Breite und über die gesamte Dauer des Konflikts bearbeitet. Dabei konzentriert er sich auf zwei Bereiche: auf die Bedeutung der Kreise für die Finanzierung des Krieges und auf bündnispolitische Bestrebungen, die jeweils an die Kreisorganisation anknüpften. Dabei erscheinen die Kreise auf der einen Seite als Reichsprovinzen oder Reichssteuerbezirke, auf der anderen Seite aber als eigenständige Akteure, die auf Basis der Kreisverfassung ihre eigene politische Agenda verfolgen. Es hing jeweils sehr von der politischen und militärischen Konstellation ab, wie genau sich welcher Kreis bzw. welcher Kreisstand in diesem Rahmen bewegen konnte.
Es ist im Rahmen einer einzigen Arbeit nicht möglich, die Geschichte aller zehn Reichskreise und aller Kreisstände über 30 Jahre Krieg zu verfolgen. Dazu sind die auszuwertenden Quellenbestände zu umfangreich, zumal man zusätzlich zu einer Gesamtperspektive auch den jeweiligen regionalen und landesgeschichtlichen Spezifika Aufmerksamkeit schenken müsste. Schulze tut daher gut daran, seine Fragestellungen anhand von pragmatisch gewählten Beispielen zu verfolgen, die entweder besonders aussagekräftig sind oder bei denen die Quellenlage besonders gut ist. Auf diese Weise schreibt er zwar keine Geschichte eines Reichskreises, die den Krieg vollständig abdecken würde. Das ist aber kein Nachteil, weil er auf diese Weise die Funktionsweise der Kreisverfassung und ihren Stellenwert im Gefüge der Reichsverfassung deutlicher akzentuieren kann.
Die Arbeit ist in zwei große Abschnitte gegliedert, die sich jeweils einem der zwei oben genannten Bereiche widmen: Zunächst werden sie als Bezirke für die Erhebung von Reichssteuern beschrieben, um dann den Stellenwert der Kreise im Rahmen von bündnispolitischen Bestrebungen und Kreisassoziationsplänen (also von Bündnissen zwischen Kreisen) zu untersuchen. Dabei ergeben sich notwendigerweise Überschneidungen, die mit Hilfe von Querverweisen abgemildert werden.
Immer dann, wenn eine Partei den Zugriff auf die politischen, militärischen oder wirtschaftlichen Ressourcen einer Vielzahl von Reichsständen suchte, bot sich die Kreisverfassung dazu an. Denn sie erfasste alle Stände zumeist einer Region, fußte auf etablierten Verfahren der Kommunikation und verfügte über den Vorteil von Legitimität im Sinne der Reichsverfassung. Aus kaiserlicher Sicht waren Reichssteuerbewilligungen einzelner Kreise eine auch schon vor 1618 bisweilen angestrebte, aber nicht immer erfolgreich praktizierte Alternative zum über lange Zeiträume nicht tagenden Reichstag, und die Kurfürsten verfolgten phasenweise Pläne zur Finanzierung der von ihnen geführten Korps der Reichsarmee über einzelne Kreise. Auch die Schweden griffen im Rahmen des Heilbronner Bundes auf die Kreisverfassung zurück, um Mittel für die Kriegsfinanzierung zu beziehen. In der Endphase des Krieges spielten die Kurfürsten von Bayern und Köln letztlich erfolglos mit dem Gedanken, sich an die Spitze eines Bündnisses von Reichskreisen zu setzen, um so ihr politisches und militärisches Gewicht neben oder gegen Wien zu stärken.
Durchschlagender Erfolg war all diesen Initiativen jedoch nicht beschieden. Zwar stellten Kreise immer wieder Mittel zur Verfügung, die für eine gewisse Zeit eine Fortsetzung des Krieges ermöglichten. Aber so gut wie nie geschah dies in der gewünschten Höhe, und noch viel häufiger verschlossen sie sich entsprechenden Wünschen und Forderungen. Aus diesem Grund scheiterte auch die im Raum stehende Möglichkeit, das Kontributionssystem im Stile Wallensteins durch eine geregelte Kreisumlage zu ersetzen. Schulzes Dissertation zeigt trotzdem deutlich, dass von einem Bedeutungsverlust der Kreisverfassung während des Dreißigjährigen Krieges nicht generell gesprochen werden kann. Im Gegenteil: Auch dort, wo die Zirkel wegen innerer, häufig konfessioneller Konflikte blockiert waren, bemühten sich Kaiser, Kurfürsten und auch die Schweden darum, sie in ihrer Funktion als Reichsprovinzen zu stärken und zu reaktivieren. Tatsächlich hing der Erfolg der kaiserlichen Forderung nach Steuerbewilligungen auf Kreisebene sehr von den jeweiligen politischen und militärischen Umständen ab, zumal den Ständen das bequeme Argument zur Verfügung stand, dass Reichskriegführung und -finanzierung auf die Ebene eines Reichstags gehöre. Mehr noch als ein solcher eröffneten die vielfältigen Verhandlungen auf den Kreistagen daher gerade den Mindermächtigen Verhandlungsspielräume, um im Gegenzug eigene politische Ziele zu verfolgen. Das Nicht-Funktionieren eines Kreises - weil kein Beschluss zustande kam oder gefasste Beschlüsse nicht voll umgesetzt wurden - kann dann im Gegensatz zur älteren, auf den Nationalstaat fixierten Forschung durchaus aus Sicht wenigstens eines Teils der Stände positiv gewertet werden. Denn es war ihnen dann gelungen, sich dem politischen und teilweise militärischen Druck aus Wien, von den Kurfürsten oder auch der Schweden zu entziehen. Dies wäre in weiteren Detailstudien näher zu beleuchten, die großen Ertrag sowohl im Hinblick auf die Geschichte der Reichsverfassung als auch auf die des Dreißigjährigen Krieges versprechen.
Es ist Schulze nicht vorzuwerfen, dass er diese Detailstudien nicht vorwegnehmen konnte. Es ist vielmehr ein wesentliches Verdienst seiner Arbeit, auf das große Potential hingewiesen zu haben, das in den noch vielfach unbearbeiteten umfangreichen Serien der Kreisakten noch immer schlummert. Dazu nur ein Beispiel: Die obersächsischen Kreisstände nutzten den ohnehin geplanten Münzprobationstag von 1629 auch dazu, eine Reaktion auf das Restitutionsedikt abzustimmen. Das war der bisherigen Forschung völlig entgangen, weil Münzpolitik als für die Geschichte des Krieges wenig relevantes Nebenthema betrachtet wurde. Es steht zu erwarten, dass auch in anderen Kreisen unter ähnlich unspektakulären Aktentiteln noch Quellen zu finden sind, die wesentliche neue Erkenntnisse versprechen, und das sicherlich über die von Schulze in den Mittelpunkt gestellten Aspekte der Kriegsfinanzierung hinaus. Die Erforschung des Dreißigjährigen Krieges dürfte nach dieser Arbeit jedenfalls nicht mehr an den Reichskreisen vorbeigehen können.
Max Plassmann