Andreas Agocs: Antifascist Humanism and the Politics of Cultural Renewal in Germany, Cambridge: Cambridge University Press 2017, XII + 206 S., ISBN 978-1-107-08543-5, GBP 75,00
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Der Terminus Antifaschismus ist ein ideologisch kontaminierter Kampfbegriff aus jenem vergangenen Zeitalter der Ideologien, das uns heute bisweilen seltsam museal erscheint. In der Regel wird der Begriff - auch in der Forschung - dann verwendet, wenn es darum geht, den Kampf linker, meist kommunistischer Widerstandsgruppen gegen Mussolini, Franco und Hitler aus der Binnenperspektive heraus zu beschreiben. Denn spätestens seit der Frontstellung des Spanischen Bürgerkriegs mit seinen internationalen Verwicklungen betrachteten sich diese Akteure als Stoßtrupp eines weltanschaulich gedeuteten Kampfes gegen den Faschismus. Darüber hinaus begegnet uns der Begriff immer dann, wenn es - ebenfalls in der Sichtweise der handelnden Personen - um die Abrechnung mit dem Nationalsozialismus in der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise in der DDR geht: Hier wurde der Antifaschismus alsbald zur Staatsdoktrin, die aus der Annahme, die vielgerühmten kommunistischen Widerstandskämpfer hätten für das "bessere System" gekämpft, eine entscheidende Legitimation für den stalinistischen Herrschaftsanspruch in Mittel- und Osteuropa ableitete.
Andreas Agocs vermag in seiner konzisen ideengeschichtlichen Studie ebenso anschaulich wie überzeugend zu zeigen, dass diese Sicht auf den Antifaschismus nur einen Ausschnitt aus der Geschichte dieses Begriffs trifft. Agocs trägt die ideologische Patina des Begriffs, die in der verstörenden "Antifa"-Rhetorik bis heute fortlebt, behutsam ab und rekonstruiert stattdessen in den beiden Teilen des Buchs die konkrete Entstehungsgeschichte des Konzepts. Zu diesem Zweck zeigt Agocs zunächst, wie eng die antifaschistische Idee seit Hitlers Machtübernahme mit der Vorstellung eines elementaren Kulturkonflikts verbunden war, bei dem es nicht in erster Linie um Sozialismus und Kommunismus ging, sondern um die Verteidigung jener liberalen und demokratischen Zivilisation, wie sie auch von bürgerlichen Schriftstellern, Künstlern und Intellektuellen in der Weimarer Republik begrüßt und entwickelt worden war.
Im Anschluss daran verfolgt er die weitere Entwicklung des Begriffs Antifaschismus, der spätestens durch einen sozialen und kulturellen Reifungsprozess im Exil, vor allem in Mexiko und den USA, zu einem regelrechten Konzept für den deutschen Wiederaufbau wurde. So rekonstruiert Agocs die integrative Funktion der antifaschistischen Idee am Beispiel des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus, macht aber auch klar, wie rasch diese deutungsoffene Ausgangssituation nach 1945, die letztlich auf einen "dritten Weg" zielte, durch die stalinistische Instrumentalisierung des Kulturbunds und das zunehmende Lagerdenken im Kalten Krieg verloren ging.
Es ist ein wichtiges Verdienst dieser lesenswerten Studie, dass Agocs mit Hilfe zahlreicher Quellenzeugnisse darauf insistiert, dass der Antifaschismus zumindest bis 1946/47 ein gesamtdeutsches Phänomen bildete. Schriftsteller und Künstler, die, wie Thomas Mann, Lion Feuchtwanger oder Johannes R. Becher, vor den Nationalsozialisten geflüchtet waren, standen nicht nur für eine ältere deutsche Kultur, die fernab der Gaskammern von Auschwitz fortexistiert hatte. Speziell die Weimarer Klassik, Goethe und Schiller zumal, diente der Orientierung, stiftete Sinn und war zugleich eine Chiffre für die Verständigung innerhalb des Antifaschismus. Darüber hinaus begriffen sich die Akteure aber auch als Vorhut einer neuen, demokratischen Gesellschaftsordnung, und sie bezogen ihre Autorität nicht zuletzt aus ihrer entschlossenen Haltung gegen die braune Tyrannei. Doch während sich der Antifaschismus in den westlichen Besatzungszonen, gewissermaßen als Synonym für demokratische Erneuerung, auf dem Markt der Meinungen behaupten musste und - in den Grenzen von Zensur und Lizenz - dem freien Spiel der Kräfte überlassen blieb, wurde er in der Sowjetischen Besatzungszone obrigkeitlich gelenkt und zur nicht weiter auslegbaren Doktrin erhoben.
Wenn Agocs zeigt, wie effizient der 'Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands' in der Sowjetischen Besatzungszone daran ging, den parteiamtlichen Auftrag zu erfüllen, eine "nationale Einheitsfront der deutschen Geistesarbeiter" zu schaffen, die aus Moskauer Sicht ideologisch zuverlässig war, so stimmt dies mit den vorliegenden Befunden der zeitgeschichtlichen Forschung zweifellos überein. Insbesondere der zweite Teil des Buchs liefert viel Bekanntes. Originell ist hingegen die Rekonstruktion der formativen Phase des Antifaschismus, in der Liberale, Sozialdemokraten und Kommunisten zusammenwirkten und in der die humanistische Orientierung für die Akteure mindestens ebenso identitätsstiftend wirkte wie der publizistische Kampf gegen den "Hitler-Faschismus". Wie aussichtsreich dieser antifaschistische Pakt, der die Wiedergeburt Deutschlands aus dem Geist der deutschen Hochkultur erstrebte, tatsächlich war, ist eine Frage, deren Klärung weiteren Forschungen vorbehalten bleibt - die Lesarten, mit denen Liberale, Sozialdemokraten und Kommunisten die Heroengestalten der deutschen Geistesgeschichte interpretierten und vereinnahmten, unterschieden sich bereits in den 1920er und 1930er Jahren erheblich voneinander. Für künftige Studien bietet Agocs' Buch, das den Antifaschismus bis 1946/47 konsequent als "cultural movement" (6) deutet, eine exzellente Ausgangsbasis.
Carsten Kretschmann